Samstag, 17. September 2011

Arm aber Sexy: Part II.I - Arm

Schaut man nur auf reinen Fakten, ist Berlin ein klarer Sozial- und Sanierungsfall. Berlin hat über 63 Milliarden Euro Schulden – Tendenz steigend. Jeder Fünfte Berliner lebt von Hartz IV. In manchen Gegenden liegt die Quote gar bei 50%. Die Arbeitslosenquote liegt mit 13.3% fast doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt.







Beim Länderfinanzausgleich ist Berlin das mit Abstand größte Nehmerland. Zwei Fünftel des Geldes, das zwischen den Bundesländern umverteilt wird, fließt nach Berlin. Kein Wunder, dass die Geberländer (v.a. Bayern und Baden-Württemberg) anmahnen, Berlin solle den Gürtel doch bitte mal etwas enger schnallen. Aber in Berlin sieht man sich eher als Opfer einer nun schon 20 Jahre andauernden Sparpolitik. Denn schließlich hat man doch schon mächtig abgespeckt. Dass dies allerdings noch immer nicht reicht, um im nationalen Vergleich mithalten zu können, übersieht der Berliner geflissentlich.Berlin erwirtschaftet nur magere zwei Drittel aller Einnahmen selbst. Der Rest wird durch Finanzspritzen wie Länderfinanzausgleich, den Solidarpakt und sonstige Bundeszuschüsse in die Hauptstadtkassen gespült.






Und doch fordert der Berliner mit voller Überzeugung noch mehr Unterstützung. Geld, das zu einem großen Teil wieder in Subventionen fließen soll. Schon heute sind in Berlin z.B. alle Kindergärten kostenfrei. Einen solchen Luxus gönnt man sich weder in Hamburg noch in München. Aber die Berliner haben schon neue Ideen: Kostenloses Mittagessen für alle Schulkinder zum Beispiel. Und auch die Idee von der kostenlosen Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln hat viele Anhänger – aber das finden die meisten Berliner dann doch ein wenig übertrieben.





Und so passt der Westernhagensong, den der Bürgermeister derzeit im Wahlkampf einsetzt, perfekt als Hymne Berlins: „Mach dir keine Sorgen, es wird schon gut ausgehen. Wir werden uns was borgen und wieder gut aussehn. Es geht mir gut. Es geht mir gut…“







Denn letztendlich lebt Berlin ja doch seit Jahren wunderbar mit dem Image der ewig jungen Stadt, die ständig selbst neu erfindet und vielleicht gerade deswegen arm, aber sexy ist!


Arm aber Sexy: Part I - Sexy








„Berlin ist arm, aber sexy!“ Keiner weiß das besser als Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit. Er hat diesen Slogan vor Jahren erfunden und zitiert sich selbst noch immer gerne bei jeder sich bietenden Gelegenheit.











Und nie war es so wahr wie heute. Denn Berlin ist nicht nur das größte Nehmerland beim Bundesfinanzausgleich, sondern auch die mit 9 Millionen Touristen pro Jahr mit Abstand attraktivste aller deutschen Städte. Berlin ist nach London und Paris auch im europäischen Vergleich der Besucherzahlen ganz vorne mit dabei.






Und wenn man jung ist, ist Berlin momentan sowieso die beste Stadt der Welt. Selbst in den traditionell hippen Zentren der Welt schwärmen sie alle von Berlin. Dort erzählt man sich, dass die Partys hier bis Sonntagnachmittag dauern, die Mädchen schöner sind und die Jungs mutiger. Und alle wollen sie zumindest einmal in das vor zwei Jahren zum besten Club der Welt gewählte Berghain - dem Mount Everest aller Clubs.







Dort kann es einem übrigens schon mal passieren, dass man morgens um 6 Uhr noch den vollen Eintritt bezahlen muss, weil der Star-DJ erst von 6-8 Uhr auflegt. Aber nicht nur deswegen hat das Berghain selbst in New York einen besonderen Ruf. Wenn die Trendsetter dort etwas besonders überragend finden, sagen sie wohl derzeit: „It’s so berghain“. Wenn DAS mal nicht sexy ist!








Und so verwundert es nicht, dass die Jugendlichen einen Großteil der über 20 Millionen Übernachtungen pro Jahr ausmachen und jedes Wochenende über 10.000 von ihnen mit Billigfliegern aus ganz Europa nach Berlin kommen, um „die Party ihres Lebens“ zu feiern. Und nicht wenige Berliner beklagen bereits die Invasion des Easy-Jetsets.







Doch Berlin kann auf stolzen 9 Milliarden Euro Umsatz der Tourismus pro Jahr bringt nicht verzichten. Und trotzdem beschweren sich die Hauptstädter (zuletzt allen voran die Kreuzberger) vehement über die zunehmenden Touristenströme. Aber wenn die Touristen ausbleiben würden, fielen satte 250.000 Jobs weg. Das wäre nicht nur extrem belastend, sondern würde Berlin letztendlich nicht nur noch ärmer, sondern auch deutlicher weniger sexy machen. Und DAS möchte nun ja wirklich niemand...